Sonntag, 13. Februar 2011

West Bank, diesmal nicht auf Hebräisch

Letzte Woche hab ich nochmal fast drei Tage in der Westbank verbracht. Man merkt das teilweise erst mit der Zeit, wie anders es doch ist in einer Zone, wo die Leute normalerweise nicht nach Israel können und auch keine Israelis reinkommen, wo die Gesellschaft deutlich islamisch geprägt ist, alle arabisch sprechen und Israel nicht sonderlich beliebt ist. Wir waren eigentlich nur in der A-Zone, das heißt in den großen Städten, die rein von der Palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet werden und das israelische Militär ausnahmsweise mal nichts zu sagen hat. This Time: Ramallah, Bethlehem und Hebron.
Ramallah, vielleicht sowas wie die Hauptstadt Palästinas, wenn man das so nennen will, wo sich auch das Vertretungsbüro der BRD befindet, ist eine ziemlich wenig touristische Stadt. (Man erkennt Touristen in der Westbank, deutlich, an Aussehen, Kleidung, Sprache, Verhalten. In Israel ist das nicht immer soo offensichtlich.) Abends, wenn die Sonne untergeht und die Stadt leerer wird, sitzen die Einheimischen in Cafes, rauchen Shisha, trinken Kaffee und spielen Karten. Das heißt, nur die Männer eigentlich. Es hat eigentlich immer so gewirkt, als dürften Frauen hier gar nicht rein, bis uns dann mal ein Ladenbesitzer beim neugierigen Reingucken erwischt und uns überzeugt hat, dass wir "Welcome, Welcome" sind. Ein weitverbreitetes englisches Wort übrigens. Drin haben sich wirklich ausnahmslos alle erstmal neugierig umgedreht und uns ne Weile begutachtet, mehr oder weniger offensichtlich, bis man sich wieder dem Kartenspielen zugewandt hat und wir in Ruhe den Kaffee trinken und den nächsten Tag planen konnten.
Beim Nachhauseweg in unser Hostel mussten wir nach dem Weg fragen und die unabsichtlich rausgerutschten spärlichen hebräischen Brocken brachten uns deutlich misstrauische Blicke ein. "Wait. Where are you from??" kann in dem Zusammenhang wohl auch übersetzt werden mit "Können wir euch wirklich weiter den Weg erklären oder sollten wir euch lieber doch stattdessen in der dunklen Ecke zusammenschlagen??" Glücklicherweise macht man mit Deutschland hier nichts falsch, und wir habens mit ner Menge an verschiedenen bunten alkoholfreien Zuckerwasser-Getränken aus dem Supermarkt im Gepäck zum Hostel zurück geschafft. Am nächsten Morgen noch die Altstadt besichtigt, nochmal Humus gegessen, im "Stars&Bucks" diesmal keine Tassen gekauft, aber mit ein paar Leuten geredet und ab gings mit dem Scherut Service-Taxi nach Bethlehem. (So einfach ist es echt nicht, das Hebräisch abzustellen...)
In Bethlehem gibt es abgesehen von den Kirchen, Andenkenläden etc. erstmal nicht besonders viel zu sehen. Anscheinend waren die örtlichen Jungs auch so gelangweilt, dass sie sich abends lange lange in den dunklen leeren Gassen rumgetrieben haben und uns ziemlich interessant fanden. Das ist schon seltsam, wenn so Kids um einen rumrennen und versuchen deine Haare anzufassen, weil sie davon anscheinend nicht genug kriegen können... allein wär ich da nicht gern gewesen. Übernachtet haben wir dann in nem Flüchtlingslager der UNO, naja nicht direkt, aber im Gästehaus auf dem Gelände. Warmes Wasser gabs zumindest für uns nicht, ob die Flüchtlinge das auch nicht haben oder vielleicht doch, wär noch interessant gewesen rauszufinden. Auf jeden Fall hat das interne Restaurant großen Wert drauf gelegt, dass sie keine israelischen Produkte verwenden ("We say NO to Israeli Products") und der Raum war auch ziemlich patriotisch dekoriert. Zum Glück hatte ich meine Touristen-Israel-Tasche vorher schon im Rucksack versteckt... Manche Taxifahrer finden es lustig, wenn man nicht so genau weiß, wo man hin will, die Leute sind generell sehr freundlich und hilfsbereit, es gibt mindestens einen guten Ort um abends wegzugehn (muss man aber erstmal finden!) und eine Medium Pizza kann ziemlich groß sein. Ansonsten gab es Knaffe und Torte zu essen, außerdem Banken, die nur Jordanische Dollar ausgeben und einen Markt, der mich für die nächsten paar Tage fast zum Vegetarier gemacht hat.
Im Service Taxi nach Hebron gabs drei Mädels mit Kopftüchern, die die coolen Ausländer wohl ziemlich interessant fanden und bestimmt einiges gelästert haben, während sie gegenseitig die Schminke nachkontrolliert habe - ich hätte schon echt gern arabisch verstanden, wieder mal. Oder Gedankenlesen, das wär auch toll. Hebron selbst ist - wow. Wie die anderen Städte auch laut, hektisch, vermüllt, auf den Straßen ein wildes Durcheinander von Menschen, Autos, Marktständen und so weiter. "Welcome Welcome" kann man mittlerweile nicht mehr hören, vor allem nicht von Händlern, die einem was verkaufen wollen. Zur Altstadt musste man sich erst durchfragen, dort gabs dann allerdings wieder einige Touristen, die sich die Mauern und die Situation zwichen palästinensischen Stadtteilen und israelischen Siedlungen angucken wollen. Ein Engländer musste sichtlich beeindruckt bei mir loswerden, dass es hier doch wie in Berlin in den 70ern ist und einfach nur "shocking".

So langsam wurde man das Gefühl gewohnt, nur als Tourist für ein paar Tage hier zu sein und eigentlich nichts mit Israel zu tun zu haben, vor allem nicht Hebräisch zu können und schon gar nicht "drüben" zu wohnen. Eine Führung von nem jungen Palästinenser von "Christian Peacemaker Teams", der die Situation erklärt und uns Siedlungen, Wachttürme, Checkpoints, Soldaten, Mauern und Straßen gezeigt hat. Zu wissen, dass der einsame Soldat mit Waffe da oben im Wachtturm, den zu fotografieren streng verboten ist, genauso ein Student im jährlichen Reservedienst sein kann, der in ein paar Wochen vielleicht wieder mit mir zusammen in der Uni sitzen und auf ne Klausur lernen könnte.

Und dann das Rausgehen auf die andere Seite. In eine Synagoge, Abrahams Grab, eins der wichtigsten Heiligtümer des Judentums. Da war grade ein Gottesdienst und es war so krass, die ganzen Siedler zu sehen, alles religiöse Leute und unglaublich ergriffen von dem Ort und den Gräbern von Abraham, Sarah und so weiter. Und die israelischen Soldaten am Eingang zur Moschee zu verstehen, die die "drei Touristen" über Funk weitermelden und miteinander auf hebräisch über uns reden ("altes Deutschland oder neues Deutschland?" - übrigens der einzige negative Kommentar über unsere Geschichte, den ich bisher im Land gehört hab). Leere Straßen, über die ab und zu eine vereinzelte verschleierte Frau geht, die noch vor den Schließzeiten der Straßensperren auf die andere Seite will. Geteilte Straßen für Palästinenser und Siedler mit einer Abtrennung, die sich nicht wirklich in der Mitte befindet.
Die Heimreise auch wie immer etwas komplizierter, nach Jerusalem kommen die Leute üblicherweise nicht. Man muss erst nach Bethlehem fahren, von dort aus gibts Busse nach Jerusalem, sofern man im Besitz eines Visums ist. Oder auch noch andere Möglichkeiten nach Ostjerusalem oder nur zum Checkpoint. Auf jeden Fall ist es umständlich, und die hilfsbereiten Fahrer der Service-Taxis können ne Weile über den besten Weg beraten und jeder hat ne andere Erklärung bereit.

Alles in allem ein sehr lohnenswerter Ausflug, selbst wenn ich in allen Städten eigentlich vorher schon gewesen bin, war es in der Kombination, auf eigene Faust und am Stück ein nochmal ganz anders eindrückliches Erlebnis... Mehr Fotos zur ganzen Geschichte gibts hier, und selbst falls ich jetzt meine Klausur morgen nicht bestehen werde, hätte sich der Trip immer noch gelohnt.

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